Seit 1990 werden in der deutschen Nordsee schiffsgestützte Surveys durchgeführt und seit dem
Jahr 2000 finden diese auch in der deutschen Ostsee statt. Die Erfassungen erfolgten zunächst
durch Freiwillige, aber mit zunehmendem Bedarf an Informationen über die Meeresgebiete standen
für das Programm vermehrt öffentliche Fördermittel bereit. Anfang der 2000er Jahre begannen in
Deutschland zusätzlich zu den schiffsgestützten Erfassungen auch observergestützte Flugsurveys.
Seit 2018 sind flugzeuggestützte Digitalsurveys Teil des Erfassungsprogramms.
Schiffsgestützte Erfassungen
Die Erfassungen von Schiffen aus erfolgen in enger Anlehnung an eine für die nordwesteuropäischen
Gewässer standardisierte Methode. Vom Peildeck (= Dach) bzw. von der Nock (= Balkon seitlich der
Brücke) aus werden pro Schiffsseite von ein bis drei Beobachtern auf einem 300 m breiten Transekt
parallel zur Kiellinie des Schiffes alle fliegenden und schwimmenden Individuen minutengenau
erfasst. Ein GPS-Gerät zeichnet automatisch für jedes Zählintervall (1 min) die Positionen auf.
Synchron dazu werden die Beobachtungsbedingungen (Sicht, Seastate, Niederschlag, Eis) erhoben.
Die Suche nach den Vögeln erfolgt mit dem bloßen Auge. Mit dem Fernglas werden Art-, Alters-,
Geschlechtsbestimmung usw. durchgeführt bzw. überprüft. Zusätzlich werden, soweit möglich, das
Verhalten und Assoziationen zu sichtbaren biotischen (z.B. Algen, Fressgemeinschaften, etc.) und
abiotischen Parametern (z.B. hydrographische Fronten, andere Schiffe, Windkraftanlagen, etc.)
notiert. Für Dichteberechnungen (z.B. Individuen pro km²) muss zwischen Vögeln im Transekt und
außerhalb des Transektes unterschieden werden. Innerhalb des Transektes befinden sich nur
schwimmende Vögel in 0–300 m Entfernung vom Schiff sowie alle fliegenden Vögel, die sich zu
jeder vollen Minute (per Konvention) in dieser Entfernung aufhalten. Diese Korrektur bei fliegenden
Vögeln verhindert, dass häufig und besonders schnell fliegende Vögel mengenmäßig überschätzt oder
mehrfach gezählt werden. Da insbesondere die Seetaucher und die Meeresenten oft hohe Fluchtdistanzen
zeigen, muss nach ihnen systematisch mit dem Fernglas gesucht werden, um sie nicht zu übersehen.
Tasker, M.L., Hope Jones, P., Dixon, T. & B.F. Blake (1984): Counting seabirds at sea from ships. A review of methods employed and a suggestion for a standardized approach. Auk, 101, 567–577
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Observerbasierte flugzeuggestützte Erfassungen
Die fluggestützte Erfassung von Seevögeln wird ebenfalls nach einer standardisierten Methode
durchgeführt. Dabei werden die Seevögel im Rahmen von Transektzählungen quantitativ erfasst.
Basierend auf eigenen Erfahrungen wurde diese Methode im Laufe der Projektzeit um einige Details
erweitert.
Das Untersuchungsgebiet wird auf festgelegten Routen mit einem zweimotorigen Flugzeug
(Partenavia P-68) beflogen. Die Zählungen werden in einer Flughöhe von 250 Fuß (ca. 76 m) bei
einer Geschwindigkeit von 90-100 Knoten (180 km/h) durchgeführt. Zwei Beobachter sitzen in der
Sitzreihe hinter dem Piloten, da sich dort auf jeder Seite nach außen gewölbte Fensterscheiben
(bubble windows) befinden, durch die eine gute Sicht auch nach unten möglich ist. Das Sichtfeld
des Beobachters wird in vier mit prismatischen Winkelmessern eingemessene Bereiche unterteilt:
Transektband A1 (60° bis 40°), Transektband A2 (40° bis 25°), Transektband B (25° bis 11°) und
Transektband Q (10° bis 4°). Bei einer Flughöhe von 76 m ist Band A1 47 m breit, Band A2 72 m,
Band B 269 m und Band Q 568 m, wobei Transektband A1 in einer Entfernung von 44 m von der mitten
unter dem Flugzeug gelegenen Linie der Flugroute beginnt. Der Bereich unter dem Flugzeug bis zu
dieser Linie kann bei Zählungen nicht eingesehen werden. Für Auswertungen werden in der Regel
nur die Transektbänder A1, A2 und B herangezogen. Seevögel werden also in einem 388 m breiten
Streifen erfasst. Unter guten Beobachtungsbedingungen können beide Seiten der Flugstrecke erfasst
werden, so dass insgesamt ein 776 m breiter Transektstreifen abgedeckt wird. Bei ungünstigen
Lichtbedingungen beschränkt sich die Erfassung in einigen Fällen nur auf einen Teilbereich des Transekts.
Alle Vogelbeobachtungen werden während des Fluges sekundengenau mit Angaben zu Art, Anzahl,
Verhalten (sechs Kategorien: Schwimmen, Abtauchen, Fliegen, Auffliegen, Sitzen auf Seezeichen
bzw. Sandbank, Zug) und ggf. Alter oder Geschlecht auf ein Diktiergerät gesprochen. Ein GPS-Gerät
zeichnet während des ganzen Fluges in Abständen von fünf Sekunden die Position auf. Nach
Interpolation der Positionsangaben auf Sekundenintervalle kann später jede Vogelbeobachtung auf
50 m genau lokalisiert werden.
Zu Beginn eines jeden Transektes werden allgemeine Angaben zu den Zählbedingungen gemacht und somit
die Qualität der Sichtungen bestimmt. Diese Angaben werden laufend sich evtl. ändernden Bedingungen
angepasst. Neben den Lichtbedingungen (Sichtweite, Spiegelung der Sonne auf der Wasseroberfläche)
ist die Beschaffenheit der Wasseroberfläche (=seastate) von besonderer Bedeutung. Sobald weiße
Schaumkronen oder Gischt auftreten (ab seastate 3) wird die Aufmerksamkeit des Beobachters stark
abgelenkt, so dass Vögel viel schwerer zu entdecken sind. Zählflüge werden deshalb nur bei
schwachem Wind (bis max. 10 kn) durchgeführt.
Kahlert, J., Desholm, M., Clausager, I. & I.K. Petersen (2000): Environmental impact assessment of an offshore wind park at Rødsand. Technical report on birds, 60 pp.
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Flugzeuggestützte Digitalsurveys
Durch den fortschreitenden Ausbau der Offshorewindenergiegewinnung
(https://www.offshore-windindustrie.de/windparks/deutschland)
sind observerbasierte Flugsurveys
in einigen Teilen der deutschen AWZ aus Sicherheitsgründen nicht mehr durchführbar. Da digitale
Flugsurveys in deutlich größeren Flughöhen stattfinden, sind sie sicherheitstechnisch unbedenklich.
Auf dem Markt stehen unterschiedliche digitale Erfassungsmethoden zur Verfügung, die teilweise auf
digitalen Videos und teilweise auf digitalen Standbildern beruhen. Diese Methoden unterscheiden sich
unter anderem in der Breite des abgedeckten Streifens, in der Flughöhe und in der Bodenauflösung. Das
Bildmaterial wird während des Fluges gespeichert und später an speziellen Bildschirmarbeitsplätzen
gesichtet und von Experten bestimmt.
Neben dem oben beschriebenen Sicherheitsaspekt ist die Archivierbarkeit der Rohdaten ein weiterer
Vorteil. Außerdem bedingt die größere Flughöhe eine geringere Scheuchwirkung und damit Störung der
Seevögel. Digitale Erfassungen können im Vergleich zu Observerflügen bei höheren Windstärken
durchgeführt werden, sind aber durch die Wolkenhöhe und Niederschlag stärker eingeschränkt als
diese. In Gebieten mit großen Konzentrationen von Seevögeln stellen die korrekte Erfassung von
Zahlen und die Artbestimmung eine große Herausforderung für die Observer dar. Hier bieten die
digitalen Methoden den Vorteil, dass zur Bildanalyse die erforderliche Zeit zur Verfügung steht.
Der Bestimmung ähnlicher Arten sind durch die Auflösung des Bildmaterials allerdings Grenzen
gesetzt. Die Haltung und Analyse der erhobenen Daten erfordert deutlich mehr Ressourcen (Arbeitszeit,
Speicherplatz), als dies bei Observerflügen der Fall ist. Die Kosten für einen digitalen Survey
betragen typischerweise das 5 bis 10fache der Kosten für einen Observerflug und die Aufbereitung
der Daten dauert in der Regel mehrere Wochen bis Monate.
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